Gegut

Muss die jetzt auch noch was dazu sagen?

Es wurde schon so viel gesagt, gestritten, debattiert. Und wer bin ich, dass ich da auch noch meinen Senf zu tun muss…

Nun ich tu es dennoch.

Es ist Anfang der 90er, ich bin 5 oder 6 Jahre alt. Anscheinend habe ich zu meiner Mutter gesagt, dass ich aussehen will wie ein Junge. Jedenfalls stehe ich auf dem Foto mit lila Pulli und einem Vokuhila im Garten und grinse. Warum grinse ich? Tja damals hatte man noch was zu lachen. Warum Vokuhila? Ich habe keine Ahnung. Vielleicht war es für meine Mutter der beste Kompromiss. Vorne Kurz um meinem Wunsch nachkommen zu können, hinten lang um die Verbindung zur Mädelswelt nicht völlig zu kappen.

Wie bei 99,9% der restlichen Weltbevölkerung so sah auch bei mir diese Frisur ziemlich beschissen aus. Auch die Dauerwelle meiner Frau Mama war zwar gewöhnungsbedürftig, konnte aber dennoch meine Friese nicht toppen.

Warum? Warum wollte ich ein Junge sein? Again, ich habe keine Ahnung. Obwohl erst 20 Jahre her (hust hust) kann ich meine Beweggründe von damals schwer erahnen. Was konnten in meinen Augen Jungs Anfang der 90er Jahre, was Mädels noch nicht konnten oder durften. Oder war bald Karneval und ich wollte als Junge gehen? Wie verkleidete man sich 1990 als Junge. Heute ist das kein Problem. Die Kinderabteilung bei h&m macht einem mehr als deutlich wie ein Junge und wie ein Mädchen ihrer Meinung nach auszusehen hat. Kinder und Eltern der 90er wurden von diesem aggressiven Gender Marketing noch verschont. Nicht jedoch von fantastischen Songtexten wie „A la la la la long…“ oder

You can brush my hair, undress me everywhere. Imagination, life is your creation.“

Angenommen es war kein Karneval, warum also der Wunsch wie ein Junge auszusehen?

In meinem Umfeld waren doch Fußball spielen, Ballett tanzen, mit Barbies spielen und Spaßkloppe in den Pausen* keine Gegensätze. Ich musste also nicht erst in ein anderes Geschlecht schlüpfen um in diesem, die angeblich ihm typischen Dinge tun zu dürfen.

* Spasskloppe habe wir (meine Buddies und ich) in der Grundschule erfunden. Die pfiffige Leserschaft hat bereits herausgefunden was wir taten. Richtig: Wir gingen raus und kloppten uns. In der 5 Minuten Pause lief auf der Wiese hinter der Schule „20 Fäuste für ein Halleluja“ ohne Werbeunterbrechung. Damit uns die Lehrer das nicht verbieten, falls wir mit zu viel Blut und Schrammen aus der Pause kommen, gab es auch Regeln. Erste Regel: Keiner redet über die Spaßkloppe. Und ihr dachtet Fight Club wäre originell..ts ts ts… Wenn ich so darüber schreibe, wünsche ich mir diese Fünfminutenpausen mit Spaßkloppe zurück…

Jetzt bleibt noch „geh rangeln“ von Oli Schulz (https://www.youtube.com/watch?v=x9Yy3-YzmX0).

Btw: Ich glaube so einige sollten mal in der Pause rangeln/spaßkloppen gehen, täten allen gut. Besonders dem aggressiven (Ehe-) Mann von letztens bei Aldi anne Kasse möchte ich ans Herz legen: „Alter, geh rangeln!“

Ich muss zugeben, ich hatte das alles schon vergessen. Es war mir nicht mehr bewusst, dass es dieses Ich, was mal Junge sein wollte gab. Obwohl ich lange gebraucht habe um mich in meinem Geschlecht wohlfühlen zu können ohne den Geschlechterklischees entsprechen zu müssen, die von Disney, Britney und anderen ey’s geprägt waren. Was mich lange total verunsichert hat.

Auf die Frage eines Mädels Silvester 2009 ob ich auch auf Frauen stehe antwortete ich „Ich steh auf Menschen“. Schwesterherz hat dies nicht verstanden und gelacht. Mich ausgelacht. Hierfür noch nachträglich ein „Buh“ an dich. Mögest du mit den Jahren weiser geworden sein.

Mich beeindruckt, bewegt, fasziniert in erster Linie doch der Mensch und nicht sein Schniedelwutz (na, wer erinnert sich noch an “guck mal wer da spricht“?) oder sein Vulvinchen. Ich stehe auf kein Geschlecht, sondern auf das Wesen, was in diesem Körper wohnen darf. Da ich Menschen in erster Linie komisch und sonderbar (Autorin eingeschlossen) finde und eigentlich gar nichts mit denen zu tun haben will, kann es eben noch etwas länger dauern bis ich überhaupt dazu komme auf irgendwen stehen zu können.

Nun steh ich schon seit längerem auf jemanden. Aus dieser Verbindung hat das Universum einen kleiner Stern zu uns geschickt. Der Stern, heißt Lasse ist mittlerweile 6 Jahre alt und antwortete auf die Frage von Außenstehenden ob er denn ein Junge oder ein Mädchen sei: „Ich bin ein Lasse“. Wie grandios! Ich habe dazu 30 Jahre gebraucht.

Das war mein Senf zum Thema Geschlecht. Da ist nichts schlechtes dran, auch wenn es blöder Weise im Wort steckt. Und wenn du dich mit deinem Wohlfühlst, ist es dein Gegut. Und ich wünsche alle Menschen, dass sie auf die Frage „Was bist du denn?“ für sich so antworten können, wie Lasse das getan hat. Und am besten mit genau der Selbstverständlichkeit!

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